Nemaplot Hyperspektraldaten Analyse und PopulationsmodelleEvaluation reinvented

 

Modellierung und Dichteschätzung von Heterodera schachtii Populationen

Klimakammerversuche und Parameterschätzung

Nematodenbedingte Welken im Feld
Nematodennest
Wachstumsdepressionen durch H. schachtii
Heterodera schachtii Zysten, Eier, Larven
heutige Zuckerrübenbestände mit H. schachtii

Um den Parameterraum für das Lesliemodells wenigstens angenähert einordnen zu können, wurden parallel zur Modellentwicklung entsprechende Klimakammerversuche unter konstanten Temperaturen im Bereich von 12-30°C durchgeführt. Junge Zuckerrübenpflanzen in Einzeltöpfen wurden mit H. schachtii inokuliert. Das Inokulum bestand aus einer Eier/Larven Suspension mit einer äquivalenten Menge von ca. 1500 E&L/100 ml Boden. In regelmäßigen Intervallen wurden die einzelnen Pflanzen geerntet, die Wurzelbiomassen erfasst, und die jeweiligen Nematodenstadien in den Wurzeln bestimmt. Die Versuchsdauer pro Temperaturstufe variierte von 70 Tagen bei 12°C bis 20 Tagen bei 28°C. In fast allen Versuchen (nicht bei 30°C) wurden neue Zysten gebildet, als Kriterium für den Abschluss der Generation. Für alle Vereinfacher des unvermeidlichen Temperatursummenansatzes (zur Basis 8): Eine Generation dauerte in Form einer linearen Temperatursumme (TS8) von TS 400°C (bei 12°C) bis TS 560°C (bei 24°C).
Ziel der Versuche waren einerseits die Bestimmung der Entwicklungsraten der einzelnen Stadien in der Abhängigkeit von der Temperatur und die Parameterschätzung der zugehörigen Temperaturresponsefunktionen (Abb. 1), als auch über das Verhalten des Wirtes bei den verschiedenen Temperaturstufen und Nematodenbefall zur Erfassung der hypothetischen Wirt-Parasit Responsefunktion.

Nematodenstadienentwicklung als Funktion der Temperatur
Abb.1: Entwicklungsraten der H.schachtii Stadien
bei verschiedenen konstanten Temperaturen



Der erste Teil der Fragestellung ist für die Stadien L3 bis Zysten relativ einfach zu lösen, indem die Entwicklungsraten (=1/Zeit in Tagen) über die Zeit geplottet werden. Die gefittete Temperaturresponsefunktionen bestimmen dann die Übergangswahrscheinlichkeiten innerhalb des Lesliemodells. Zum Vergleich sind in Abb. 1 die Entwicklungsraten der Zuckerrübe mit dargestellt. Da es sich um eine Larvensuspension als Inokulum handelte, kann keine Aussage über die doch wichtige Entwicklungsrate und Schlüpfwahrscheinlichkeit der freien L2 gemacht werden. Die entsprechenden Raten konnten aber aus der Literatur ermittelt werden(1)

Ungleich schwieriger gestaltete sich das Verhalten der Zuckerrübenwurzel bei Nematodenbefall anhand der Versuchsergebnisse zu interpretieren. Generell waren, trotz einer hohen Ausgangsverseuchung, bei den Temperaturstufen 26-30°C nur wenige Individuen in der Wurzel zu finden. Der 18°C Versuch zeichnete sich generell durch schwachen Wuchs aus und musste aus der Auswertung ausgeschlossen werden. Nennenswerte Larvenzahlen wurden nur beim 12°C, 21°C und 24°C Versuch vorgefunden. Das Schätzen der Temperaturresponsefunktion für das Wurzelwachstum aus den Klimakammerdaten ist dann noch die einfachste Aufgabe (Abb. 3).

Entwicklungsrate der Zuckerrübe bei 12°C mit und ohne Nemaotden
Abb. 2a: gefittete Wachstumsraten der Wurzel
bei 12°C im Vergleich ohne & mit H. schachtii


Entwicklungsrate der Zuckerrübe bei 18°C mit und ohne Nemaotden
Abb. 2b: gefittete Wachstumsraten der Wurzel
bei 21°C im Vergleich ohne & mit H. schachtii


Entwicklungsrate der Zuckerrübe bei 24°C mit und ohne Nemaotden
Abb. 2c: gefittete Wachstumsraten der Wurzel
bei 24°C im Vergleich ohne & mit H. schachtii


Das Wurzelwachstum bei 21°C ist unter Nematodeneinfluß erheblich vermindert (Abb. 2b). Sowohl bei 12°C als auch bei 24°C war das Wurzelwachstum mit H. schachtii zwar reduziert, aber in signifikant geringeren Raten (Abb.6 a, c). Ein Vergleichsmaßstab in Form von Anzahl der Zysten/Wurzeltrockenmasse in mg beschreibt die 3 Versuche am besten: bei 12 und 24 °C je 0.65 und für den 21°C Versuch ein Verhältnis von 4, d.h. gegen Ende des letzteren Versuches waren relativ viele Zysten in einem insgesamt schwach ausgeprägten Wurzelsystem. Dieses unerwartete und wenig stringente Ergebnis führt zu weiteren Überlegungen.

Vergleich der Entwicklungsraten von L2 Larven und Zuckerrüben
Abb. 3: Vergleich der Entwicklungsraten der freien L2 Stadien (blaue Linie) und der Rübenwurzel (rote Linie) mit entsprechenden Messwerten




Zuerst hilft es vielleicht die Temperaturresponsefunktionen sowohl für die frühe Wurzel als auch die für die Schlüpfwahrscheinlichkeiten der L2 Stadien (Oostenbrink, 1967 (1)) gegenüberzustellen.  Wie man sofort erkennt, die Systeme laufen nicht synchron. Es gibt Temperaturbereiche, in denen die Wirtsentwicklung schneller ist als die L2 Entwicklung und umgekehrt. Diese erklärt die Beobachtung in den Klimakammerversuchen. Bei 12°C wächst die Wurzel ähnlich oder vielleicht etwas schneller als die Larven schlüpfen (können), es existiert anfänglich ein gewisser Wurzelraum (hinter den Wurzelspitzen) für den Nematoden, der mehr und mehr Nematoden aufnehmen kann, so lange, bis die Anzahl der Nematoden eine kritische Dichte überschreiten. Ein typisches evolutionäres Wirt-Parasit-Verhältnis, die die langfristige Existenz und Vermehrung von H. schachtii erfolgreich gewährleistet. Sind sowohl Wirt als auch Nematoden konstant ~24°C ausgesetzt, ist wiederum das Wurzelwachstum größer als die L2 Schlupfrate, das Wachstum der Wurzel ist kaum gebremst, es können vermehrt Nematoden eindringen, aber die Pflanze kann wesentlich größere Mengen tolerieren. Auch hier wird es natürlich eine obere Grenze geben, die in diesem Versuch aber nicht erreicht wurde. Völlig anders sieht die Situation bei ~21°C aus. Die Schlupfrate der L2 ist größer als die Wurzelwachstumsrate, die Pflanze wird regelrecht mit penetrierenden Larven geflutet, in der Konsequenz bleibt das Wurzelsystem klein, der Nematode begrenzt sich selbst. Es sieht so aus, als hätte die Wirtspflanze eine gewisse "Kapazität" oder einen Toleranzlevel, der sich mit dem Pflanzenalter, Wachstum und damit auch der Temperatur ändert. Die Wirt-Parasit-Interaktion besteht also nicht nur aus dem Einfluss von H. schachtii, sondern auch aus der Expansionsmöglichkeit des Wurzelsystems.

Welche Konsequenzen sind aus den Beobachtungen abzuleiten? Untersuchungen und Experimente mit und über H. schachtii werden zum großen Teil in Gewächshäusern bei wärmeren Temperaturen durchgeführt. Das ist verständlich, die Versuchsdauer ist drastisch verkürzt, eine Generation relativ schnell abgeschlossen. Wird z.B. die Resistenz einer Zuckerrübensorte oder die Pathogenität des Nematoden getestet, so wird in dem Intervall von 18 bis 22°C die Pathogenität des Nematoden überschätzt, bei 24°C unterschätzt, für Resistenz-/Toleranzeigenschaften von Sorten wäre es genau umgekehrt. Prinzipiell sind daher die Aussagen und Schlussfolgerungen vieler bei höheren Temperaturen durchgeführten Versuche damit anzuzweifeln.

Mehr Hintergrundinformationen zu den Klimakammerversuchen, wie Versuchsaufbau, Sorte,  Inokulum, die hier nicht dargestellten Temperaturstufen, etc. , finden Sie in dem umfassenden Bericht über die Klimakammerversuche.pdf, Größe 1.2 MB, Stand 1993.

(1)OOSTENBRINK,M. (1967), Studies on the emergence of encysted Heterodera Larvae, Neded.,Rijks fac.Landbouw.Jour. 32, 503-539.

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